Erfahrungsbericht Corona Testzentrum Reichelsheim
Wie Landrat und Gesundheitsamtschef die Bürger die Wetterau statt das Coronavirus erkunden lassen
Bei Gelegenheit einer heutigen Fahrt in die nördliche Wetterau und aufgrund der passenden Öffnungszeit für anlassloses Testen mit Schnelltests suche ich das Testcenter des Kreises in Reichelsheim auf. Das Dorf ist durch den Flugplatz für Kleinflugzeuge bekannt. Der ist jedoch im Gegensatz zum Testcenter nicht ausgeschildert, jedoch leint und unübersehbar an der Landstraße nach Florstadt zu finden. Leicht zu finden gilt allerdings nicht für das Testcenter, das in der ehemaligen Volks- bzw. Grundschule des Dorfes an einer Seitengasse nahe des Ortsausgangs untergebracht ist.
Die Schule wurde 1956 eingeweiht, was an ihrem baulichen Zustand durchaus zu erkennen ist. Um das Gebäude herum befinden sich der Zu- und Ausgang für die Testwilligen. Ein kleiner Parkplatz wird bei dem regen Publikumsverkehr intensiv genutzt. Da der Platz nicht reicht, stehen Fahrzeuge auch im Ort oder im angrenzenden Feld. Gerade am Nachmittag ist die Nachfrage nach den Momentaufnahmen der Schnelltest groß. Aus den Gesprächen der Wartenden gehen völlig unterschiedliche Motive für den Besuch in Reichelsheim hervor. Mal ist es der Besuch bei den Enkeln, mal bei Verwandten, mal im Altersheim, aber auch eine Reise. Man ist geduldig und wartet im gebührenden Abstand voneinander, was einem durch Striche auf dem Weg leichtgemacht wird.
Mit der Abgabe der Versicherungskarte bzw. des Personalausweises und dem Ausfüllen eines Anmeldungszettels bei einer die wartereihe entlanglaufenden Mitarbeiterin wird die Prozedur konkreter. Stück für Stück gehts voran, bis man nach Ausruf das Schulgebäude betreten kann, um den Test über sich ergehen zu lassen. Zu sehen sind nur wenige Mitarbeiter/innen im imerhin innen frisch renovierten Gebäude. Bei mir waren es zwei, einer davon der Tester, der den Wattestab spürbar und tiefer in die Nase führte, um den Abstrich vorzunehmen. Danach darf man das Gebäude wieder verlassen, um etwa 15 Minuten auf das Ergebnis und die Bescheinigung zu warten. Nach und nach erhalten die Getesten ihren Zettel mit dem Kreuz im Negativ- oder Positivkästchen. Letzteres habe ich bei meinem Besuch nicht miterlebt. Damit ist der Test beendet, und man darf sich wieder auf die Landstraßen im Wetterauer Nirgendwo begeben. (Ich stamme aus der nördlichen Wetterau. Deshalb maße ich mir dieses Urteil an.)
Die Autofahrt ist dann gut geignet, den wenig einladenden Eindruck des Testcenters negativ abzurunden. Ich schleiche mit offenbar möglichst geringer Geschwindigkeit über die Straßen zwischen den intensivlandwirtschaftlich genutzten Feldern, denn die jeweiligen Fahrzeuge vor meinem mussten ob der wohl vorhandenen eingeschränkten Fahrtauglichkeit der Fahrer/innen langsamst fortbewegt werden. Dabei waren keine Traktoren unterwegs, sondern allenfalls Lkws, die es aber immerhin bei gutem Willen auf 70 km/h brachten. Also zog sich die Fahrt zurück nach Bad Vilbel quer durch die Wetterau geduldfordernd lange hin. Mein Aufenthalt im Impfzentrum dauerte ca. eine Stunde, mit der Fahrt insgesamt knapp drei Stunden. Das ist gerade für Berufstätige eine große zeitliche Investition für einen Schnelltest, der in lediglich 20 Minuten erledigt sein kann.
Was zum Impfzentrum des Wetteraukreises in Büdingen festgestellt werden musste, gilt meines Erachtens auch für das Testcenter in Reichelsheim. Es ist nicht bürgerfreundlich und bürgernah, sondern eher das Gegenteil. Die Reichelsheimer ehemalige Dorfschule liegt abseits in der Region, aber auch im Ort selbst, wenn man vom bevölkerungsstarken Westen oder Süden kommt. Das Gebäude selbst, der Zugangsweg und die unmittelbare Wartezone inkl. der dort angesiedelten Toiletten sind nur als abstoßung zu bezeichnen. Die Mitarbeiter/innen sind freundlich und zugänglich, was ich persönlich angesichts des Orts für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit für durchaus bemerkenswert halte.
Doch kann ich mich insgesamt des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kreisverwaltung mit Landrat und Gesundheitsamtschef eine Politik der subversiven Bürgerabwehr statt eines offensiven Corona-Testens und -Impfens betreiben. Das halte ich für fundamental kontraproduktiv und kritikwürdig.